Sorgen und Verzweiflung einer Mutter
Der Rohstoffhandel streicht Milliardengewinne ein, während die Bergbaugebiete alle Lasten tragen. Cristina Choque und ihr Sohn Fran leben in der Nähe der Kupfermine von Glencore in Espinar, Peru, unter prekären Bedingungen. Die Comundo-Fachperson Thomas Niederberger hat sie vor Ort besucht. Er unterstützt indigene Gemeinschaften darin, ihre Forderungen nach einem umweltverträglichen Rohstoffabbau national und international öffentlich zu machen.
Als ich Cristina Choque letztes Jahr auf ihrem bescheidenen Gehöft in der Nähe der Mine Tintaya-Antapaccay in Espinar besuchte, spürte ich die Ohnmacht einer scheinbar ausweglosen Misere. Zeuge sein, die Geschichte erzählen, ein Foto machen – was nützt es?
Wir gingen über die ausgetrockneten Weiden runter zum Bach Ccocareta, der wie Cristina erzählte, einst ein kleiner Fluss war, in dem Forellen gezüchtet wurden. Fran, ihr einziger Sohn, folgte ihr wie ein Schatten. Offiziell heisst der Fluss Tintaya. Die Mine, die in einigen Kilometern Entfernung sichtbar ist, wurde nach ihm benannt. Cristina wuchs hier auf und hat alle Veränderungen der letzten 40 Jahre, seit hier mit dem Kupferabbau begonnen wurde, am eigenen Leib erlebt. «Schau dir mein Söhnchen an. Er ist 21 Jahre alt, aber wie ein Kleinkind. Ich muss ihn waschen, ihm zu essen geben, er lässt mich keine Minute allein.»
Das Foto mit Christina und Fran am Fluss machten wir genau an der Stelle, wo die heute 64-Jährige das Trinkwasser aus dem Bach schöpfte, als sie mit Fran schwanger war. «Später wurde uns gesagt, das Wasser sei nicht trinkbar», erzählt sie. Heute glaube sie, dass Fran deswegen behindert sei. Ihre grösste Sorge: «Wer wird sich um meinen Sohn kümmern, wenn ich sterbe? Ich bin krank, ich weiss nicht, wo ich ihn hinbringen soll».
Umfassende Analyse bestätigt Schwermetallbelastung
Es ist seit über 10 Jahren bewiesen, dass ein grosser Teil der Bevölkerung von Espinar bedrohliche Schwermetallwerte im Blut hat. Auch Cristina hat ihre Testergebnisse bekommen. Doch bis vor kurzem gab es keine Studien, die den Zusammenhang zur Mine stichhaltig belegen konnten. Die Schweizer Eigentümerfirma Glencore machte jeweils die «natürliche Mineralisierung» des Bodens verantwortlich. Unterdessen ist etwas ins Rollen gekommen. Nach jahrelangem Druck wurde endlich eine umfassende Analyse der Ursache der Schwermetallbelastung in Espinar durchgeführt.
Im August 2023 konnten wir in meiner Einsatzorganisation CooperAcción als erste die neue Studie der staatlichen Umweltbehörde einsehen. Darin stehen Schlüsselsätze wie dieser: «Es wird bestätigt, dass die Sickerwässer aus der Abraumhalde Tintaya die chemische Zusammensetzung des Grundwassers beeinträchtigen, wobei diese unterirdischen Ströme in Richtung der Flüsse Tintaya und Salado fliessen» (OEFA Bericht 2023-00144, S. 24). Einige Stellen beziehen sich genau auf die Terrassen, wo Cristinas Hof liegt. Jetzt geht es darum, die Ergebnisse bekannt zu machen.
Das kann Ihre Spende beispielsweise bewirken:
Schon 35 Franken sind ein Beitrag an Medienarbeit, um die Gesellschaft und Entscheidungsträger/innen in Politik und Wirtschaft aufzurütteln.
Mit 75 Franken unterstützen Sie wichtige Lobbyarbeit, damit die Situation indigener Gemeinschaften in die öffentliche Diskussion gerückt wird.
150 Franken ermöglichen nachhaltige Einsätze von Comundo-Fachleuten, die sich für die Lebensräume indigener Menschen einsetzen.
«Diese Mine bringt uns nichts als Leid. Wir haben kein Trinkwasser, keine sanitären Anlagen, keinen Strom.»
Cristina Choque, Bewohnerin der Minenregion Espinar
Sofortmassnahmen und Regulierung gefordert
Mit den Resultaten der Studie könnten die Betroffenen vor Gericht auf Entschädigung klagen. Doch die Justizmühlen in Peru mahlen langsam und sind voller Fallstricke. Und die internationalen Mechanismen zur Konzernverantwortung sind weiterhin zahnlos.
Für Cristina und Fran braucht es sofortige Massnahmen: Sauberes Trinkwasser, Gesundheitsversorgung und Sozialhilfe, um Lebensmittel kaufen zu können. Das Geld dafür wäre eigentlich vorhanden. Der Kupferpreis ist wegen der Energiewende nahe am Rekordniveau und die Mine erwirtschaftet satte Gewinne. Auch ohne Gerichtsurteil muss die Firma ihre Verantwortung wahrnehmen und die Verschmutzung eindämmen. Das Foto, das uns Cristina und Fran geschenkt haben, ist eine Einladung, hinzuschauen und unsere Stimmen zu erheben.
Von Thomas Niederberger | 3. November 2023 | Peru
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Wer profitiert vom Kupferabbau?
Bergbaukonzerne zahlen zwar Steuern dafür und bringen Investitionen in benachteiligte Regionen. Aber steht das im Verhältnis zu den Gewinnen, die in den reichen Norden fliessen? CooperAccion, die peruanische Partnerorganisation von Comundo, hat für uns nachgerechnet: Von den geschätzt über 10 Milliarden US-Dollar, die Schweizer Bergbauunternehmen Glencore und Xstrata seit 2006 in Espinar erwirtschaftet haben, dürften über 9 Milliarden als Reingewinn abgeflossen sein – zum grössten Teil in die Schweiz.