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13.09.2022

Projektreise: Keine Orte für Sightseeing

Wie könnte es sein, in einem ungewohnten und herausfordernden Kontext selbst einen Entwicklungseinsatz zu leisten? Diese Frage stellten sich zwei langjährige Spenderinnen von Comundo auf ihrer Projektreise in Sambia, die ihnen unmittelbaren Einblick in das Leben und Wirken von Comundo-Fachleuten gewährte.

Esther Tresch Hagenbuch, Elisabeth Wintzler (Comundo) und Astrid Peissard (v.l.) während ihrer Projektreise in Sambia.

Elisabeth Wintzler (EW), Comundo: Ihr kennt die Arbeit von Comundo schon seit vielen Jahren bis zurück zur Zeit der Bethlehem Mission Immensee. In diesem Frühjahr konntet ihr Projekte von Comundo mit ihren Fachleuten in Sambia besuchen. Welche Eindrücke der Reise sind euch am stärksten in Erinnerung geblieben?

Esther Tresch Hagenbuch (ETH): Also bei mir ist eine grosse Bewunderung entstanden für die Fachkräfte, die in Sambia arbeiten. 

Astrid Peissard (AP): Mir ist das grosse Engagement der Fachpersonen in Erinnerung geblieben und ihr Wille zur Zusammenarbeit. Nicht dass man etwas durchsetzen will, sondern es ist eine kooperative Zusammenarbeit, bei der man gemeinsam den Weg herausfindet, auf dem man am meisten gegenseitig profitieren kann.

EW: Woran habt ihr gemerkt, dass diese Arbeit so hart ist, mit diesem Bemühen um eine echte Kooperation? Hattet ihr ein Erlebnis, bei dem dies für euch deutlich wurde?

ETH: Ich war bei Lea Eichenberger und sie hat uns erzählt, dass sie am Anfang mit vielem zu kämpfen hatte. Auch sei es zunächst nicht leicht gewesen mit ihrem Schuldirektor, der sie anfangs nicht so ganz akzeptierte. Es hat mich sehr beeindruckt, wie es in einem fremden Land ist, in einer fremden Kultur. Obwohl man in guter Absicht kommt, muss man fast darum kämpfen akzeptiert und anerkannt zu werden, ohne in diesem Moment aufzugeben. Lea erzählte, dass manchmal die Kanalisation überläuft und die Fäkalien dann den Schulhof überfluten, da dachte ich, das muss man auch erst mal aushalten können. Aber genau das sind eben Beispiele, die zeigen, du musst in einem Einsatz einfach mit allem rechnen.

«An dem Tag, an dem wir die Fachleute in Lusaka bei ihrer Arbeit begleiteten, dachte ich anhand der Beispiele, die sie uns erzählten, was für ein Knochenjob!» Esther Tresch Hagenbuch

AP: Lea ist ein gutes Beispiel für dieses Bestreben, die Menschen vor Ort verstehen zu wollen und mit solchen Situationen umzugehen. Das Undenkbare ist dort fast Alltag. Für mich sind es nicht unbedingt neue Erkenntnisse, aber dass wir dabei sein und solche Situation vor Ort miterleben konnten und einbezogen wurden ins Mitdenken und auch inspiriert worden sind. So konnten wir uns Gedanken machen, wie es für einen selbst wäre, so ein Einsatz.


Destiny Comunity School in Lusaka – Comundo-Fachperson Lea Eichenberger beim Teachers’s Training

EW: Konntet ihr neue Erkenntnisse zur Personellen Entwicklungszusammenarbeit gewinnen?

ETH: Ja, ich habe nicht gewusst, dass Comundo mit lokalen Partnerorganisationen zusammenarbeitet. Ich habe immer gedacht, Comundo hätte eigene Projekte, die sie aufgleisen und dann durchführen. 

AP: Für mich war interessant zu sehen, dass es eine Verantwortung für das Landesprogramm gibt, also die Arbeit, die Miriam (Anmerkung der Redaktion: Miriam von Borcke, Landesprogrammleitung in Sambia) in der Koordination macht. Auch dass sie schaut, dass alle Fachleute sozial abgefedert sind, dass sie sich miteinander austauschen können und keine Einzelkämpfer sind, erscheint mir sehr wichtig.

«Die Fachleute sind vor Ort sehr gefordert, aber sie sind auch in ein Team eingebunden, mit dem sie ihre Themen austauschen können.» Astrid Peissard 


Astrid Peissard geniesst die Morgenstimmung am South Luangwa River.

EW: Entwicklungsarbeit wird oftmals kritisiert, die Wirksamkeit sei nicht immer vollumfänglich messbar. Könnt Ihr etwas zu dieser Wirksamkeit der Personellen Entwicklungsarbeit sagen, wie Ihr sie durch die Comundo-Fachleute und lokale Bevölkerung erlebt habt?

AP: Ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit in den Projekten immer eine grosse Vertrauensbasis erfordert.

«Ein Einsatz kann etwas bewirken, wenn die lokalen Menschen und die Fachperson gemeinsam an einem Thema arbeiten und nach guten Lösungen suchen. Für die Fachleute ist es eine herausfordernde Aufgabe, ohne dass sie in der Sonne stehen.» Astrid Peissard

Das beste Beispiel hierfür ist unser Besuch bei Impact Network, bei dem die Comundo- Fachperson nicht anwesend war und die lokalen Lehrpersonen uns gezeigt haben, was sie zusammen mit der Fachperson erarbeitet haben und wie sie den Phonetik Unterricht nun praktisch erlebbar umsetzen. Das ist ein sehr anschaulicher Output, der klar zeigt, was die Zusammenarbeit gebracht hat. Ich finde, die Fachleute sollten hier viel selbstbewusster auftreten, also Gutes tun und darüber sprechen.


Esther Tresch Hagenbuch beim Wasser Pumpen in Nyanje, einem kleinen Dorf im Nordosten Sambias.

ETH: Astrid, du hast für mich etwas sehr Schönes ausgesprochen, das mit dem in der Sonne stehen – ich finde das gerade in Bezug auf die DEZA und andere Geldgeber von Bedeutung, denn sie messen in einem sehr engen Rahmen.

«Ich habe das Gefühl, das Ganze ist nicht einfach messbar mit unseren herkömmlichen Methoden – zum Beispiel der wichtige interkulturelle Austausch.» Esther Tresch Hagenbuch 

Der interkulturelle Austausch ist nicht direkt messbar, obwohl er so wichtig ist. Wenn man alles nur in Zahlen ausdrücken würde, erschiene ein Einsatz vielleicht als Tropfen auf den heissen Stein. Doch selbst wenn die Wirkung gering wäre, ich würde weiter dafür spenden – denn wer macht es, wenn nicht wir?


Projektreisegruppe beim Empfang der Chiefteness – dem Dorfoberhaupt in Nyanje

AP: Ich habe den Eindruck, es sind alles kleine Puzzle-Steine, die man eben auch positiv beschreiben muss. Ich würde nicht unbedingt sagen, wenn wir es nicht machen, wer macht es dann – denn es ist doch wichtig, das Ganze positiv zu bewerten, eben als ein kleiner Stein von etwas grösserem Ganzen.

EW: Welche Chancen seht ihr für den Ansatz von Comundo, Menschen, statt einfach nur Geld zu senden?

«Wenn man Menschen schickt, ist viel eher ein Nehmen und Geben möglich.» Esther Tresch Hagenbuch

AP: Ja, denn eine echte Zusammenarbeit kann nur stattfinden, wenn Personen beteiligt sind, die geben und nehmen. So kann Vertrauen entstehen und auch etwas Neues. Nur so können beide Seiten davon profitieren. 

EW: Auch wenn Comundo heute eher säkular auftritt, konntet ihr während eurer Reise feststellen, dass der christliche Geist immer noch eine Rolle spielt?

AP: Ich finde das ganz wichtig. Wir kommen aus einem christlichen Kontext. Unsere Gesellschaft ist immer noch auf christlichen Werten aufgebaut. Das ist in der Schweiz immer noch so und hat nichts mit der Kirche zu tun.

«Die christlichen Werte, die wir vertreten, sind die Basis. Man muss es nicht unbedingt Nächstenliebe nennen, aber das Zwischenmenschliche, das auf Respekt, Vertrauen und Wohlwollen aufgebaut ist, kommt aus dem Fundament der christlichen Werte.» Astrid Peissard

Ohne dass es jetzt wahnsinnig religiös klingen soll, aber die Immenseer haben das ja auch vorgelebt. Sie haben Sachen angepackt, bei denen sie ganz pragmatisch gesehen haben, dass sie sich einfach darum kümmern müssen. Und dieser Ansatz hat unsere Gesellschaft eben geprägt.

ETH: Meine Ansicht deckt sich zu hundert Prozent mit dem, was du gesagt hast, Astrid. Die christlichen Werte bedeuten in unserer Gesellschaft glücklicherweise viel. Missioniert wird zwar nicht mehr, aber die christlichen Werte werden gelebt.

AP: Das finde ich eben so schade an dem DOK Film, welchen SRF über die Missionsgesellschaft gemacht hat: Ihr Engagement wurde als «Auslaufmodell» dargestellt, weil man es nur mit der missionarischen Arbeit in Zusammenhang brachte. Die Mission ist und war, dass man mit Respekt im Sinne der christlichen Werte zusammen ist. Im Sinn und Geiste wird etwas fortgeführt, was die Immenseer gelebt haben. Zusätzlich haben sie dann noch die Messe gefeiert. Die Formen haben sich verändert, wir sind einigen gläubigen Menschen begegnet. Ich denke, dass der Glauben an das Gute eine solche Zusammenarbeit erst möglich macht. Damit ist nicht nur der Glaube im religiösen Sinn gemeint, sondern im Sinn von positivem Denken oder dem positiven Wirken.

EW: Gab es ein Erlebnis, welches euch sehr berührt oder erfreut hat?

ETH: Der Besuch im Circus Sambia. Wenn mal ein Fehler passierte, hat das die Freude nicht geschmälert, sondern die Jugendlichen haben sich freudig verneigt und den nächsten Artisten Platz gemacht.


Spektakuläre Vorführung von Circus Sambia, Lusaka (Partnerorganisation von Comundo)

AP: Die Tanzvorführung im Biko Center im Bauleni Compound (siehe Video weiter unten). Und dass die Leute trotz Tristesse so viel Lebensfreude haben, hat mich sehr beeindruckt.

EW: Gab es ein Erlebnis, welches ihr konfliktreich fandet?

AP: Ich war mit Hannah (Anmerkung der Redaktion: Hannah Labusch, Comundo-Fachperson) in ihrem Compound unterwegs, als ein Lastwagen mit jungen Sambiern angefahren kam und sie uns den Stinkefinger zeigten. Man muss sich bewusstwerden, dass nicht alles heile Welt ist. Als Weisse sind wir in einer privilegierten Situation und wenn wir in gewisse Gebiete kommen, können das Einheimische als eine Art Grenzverletzung wahrnehmen, die zum Teil auch Konflikte hervorrufen kann. Die Einsatzgebiete sind eben keine Orte für Sightseeing.


Unvergesslicher Sonneruntergang am South Luangwa River 

 
 

 

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