Dem neuen Erbrecht 2023 auf der Spur
Ab Januar 2023 tritt das neue Erbschaftsrecht in Kraft. Rechtsanwalt Jörg Sprecher im Interview mit Comundo über die wichtigsten Änderungen.
Interview: Elisabeth Wintzler
Elisabeth Wintzler, Comundo: Jörg Sprecher, im Januar 2023 ändert sich das Schweizer Erbrecht. Was ist neu?
Jörg Sprecher: Die wichtigste Änderung ist vermutlich, dass der Pflichtteil der Nachkommen nur noch die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt (bisher Dreiviertel). Ausserdem fällt der Pflichtteil der Eltern weg. Daneben gibt es weitere Änderungen, so betreffend der Nutzniessung, erbrechtliche Ansprüche während eines Scheidungsverfahrens und Klärungen betreffend des Güterrechts von Verheirateten.
Die freie Quote wird also grösser. Was sind die Chancen?
Es gibt einen grösseren Spielraum bei der Gestaltung des Nachlasses, gerade auch zugunsten von Konkubinatspartnerinnen und –partnern oder von gemeinnützigen Organisationen. Beabsichtigt war auch eine Erleichterung von Unternehmensnachfolgelösungen.
«Es gibt einen grösseren Spielraum bei der Gestaltung des Nachlasses, gerade auch zugunsten von Konkubinatspartnerinnen und –partnern oder von gemeinnützigen Organisationen.»
Worin sehen Sie die Herausforderungen im Umgang mit den neuen Bestimmungen im Erbrecht?
Die Freiheit auszuschöpfen ist nicht in allen Fällen angemessen. So muss man sorgfältig prüfen, ob es sinnvoll ist, die Kinder auf den Pflichtteil zu setzen.
Sind Testamente, die vor 2023 verfasst wurden, weiterhin gültig?
Ja. Für die Auslegung ist aber die Rechtslage zum Zeitpunkt des Todes massgebend. Wenn jemand seine Kinder im Jahr 2008 auf den Pflichtteil gesetzt hat (in der Meinung, dass sie Dreiviertel des gesetzlichen Erbteils erhalten werden) und im Jahr 2024 stirbt, dann erhalten die Kinder lediglich die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Die wenigsten Leute verfassen ein Testament. Ist das nur etwas für Menschen mit Vermögen?
Nein. Jeder Nachlass muss abgewickelt werden. Ein Testament kann das sehr erleichtern, auch wenn kein grosses Vermögen verteilt werden kann.
«Jeder Nachlass muss abgewickelt werden. Ein Testament kann das sehr erleichtern, auch wenn kein grosses Vermögen verteilt werden kann.»
Worauf sollte man beim Schreiben meines Testamentes unbedingt achten?
Das ganze Testament muss handschriftlich verfasst werden, am besten mit Kugelschreiber. Das Dokument soll als «Testament», «Letztwillige Verfügung» oder «Mein letzter Wille» bezeichnet werden. Die Anordnungen sollen so klar wie nur möglich formuliert sein. Am Schluss des Testaments müssen Ort, Datum und Unterschrift stehen.
Brauche ich dazu immer einen Rechtsanwalt oder eine Notarin?
Nein. Aber man tut in jedem Fall gut daran, sich sorgfältig mit der Nachlassplanung zu befassen. Bei etwas komplizierteren Verhältnissen lohnt sich die Beratung durch eine Fachperson.
Wo sollte ich mein Testament aufbewahren?
Idealerweise wird das Testament bei einer offiziellen Hinterlegungsstelle eingereicht (z.B. beim Teilungsamt; die Zuständigkeiten unterscheiden sich aber je nach Wohnsitzkanton).
Kann ich es jederzeit verändern?
Ein Testament kann abgeändert werden. Die Änderung ist ebenfalls ein Testament; daher sind die Formvorschriften zu beachten. Änderungen, die jemand vornimmt, der nicht mehr urteilsfähig ist, sind anfechtbar.
«Die Arbeit von Comundo mit einem Legat zu fördern heisst, dafür zu sorgen, dass die Ersparnisse auch nach dem Tod sinnvoll eingesetzt werden.»
Als Entwicklungsorganisation ist Comundo auf Spenden aus Nachlässen angewiesen. Was spricht für ein Legat für Comundo?
Comundo unterstützt Personen in schwierigen Lebenssituationen. Die Arbeit von Comundo mit einem Legat zu fördern heisst, dafür zu sorgen, dass die Ersparnisse auch nach dem Tod sinnvoll eingesetzt werden. Zudem hat Comundo viele Spenderinnen und Spender, die oftmals jahrzehntelang für das soziale Engagement von Comundo gespendet haben. Manchmal können diese Menschen, wenn sie in ein Altersheim ziehen, ihre wohltätigen Spenden nicht fortsetzen, worüber sie unglücklich sind. Mit einem Legat können sie diesen Wunsch später noch weiterführen, denn diesen Betrag benötigen sie nach ihrem Tod nicht mehr.
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Haben Sie eine Empfehlung an unsere Spenderinnen und Spender betreffend des neuen Erbrechts?
Dass sie ihre bestehenden Erbverträge überprüfen! In Erbverträgen sollte ein Schenkungsvorbehalt vereinbart werden. Nach neuem Recht sind sonst Schenkungen (mit Ausnahme sogenannter «Gelegenheitsgeschenke») und Legate anfechtbar.
Rechtsexperte
Rechtsanwalt Dr. Jörg Sprecher, Kanzlei Peyer-Sprecher-Erni, berät Comundo in Erbschaftsfragen und Angelegenheiten rund um Legate.
Ihr Kontakt
Sie finden das Thema Legate spannend, haben aber noch offene Fragen? Beatrice Bürge, unsere neue Verantwortliche für Spenden und Legate, berät sie gerne!
Beatrice Bürge
Spenden und Legate
+41 58 854 11 55
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