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27.06.2024

Comundo berät Sachverständigen-Gremium der UNO

Vom 8. - 12. Juli findet in Genf der Austausch eines Expertengremiums statt, zuhanden des UNO-Menschrechtsrats. Mit dabei sind auch die Juristin Laura Kleiner und der Sozialanthropologe Tullio Togni. Sie berichten mit indigenen Führern und Menschrechtsanwälten von der prekären Lage in kolumbianischen Kriegsgebieten. Wir haben die beiden Comundo-Fachleute im Vorfeld der Veranstaltung befragt.

Am Sachverständigen-Gremium der UNO dabei, die Juristin Laura Kleiner und der Sozialanthropologe Tullio Togni.

Laura und Tullio, ihr besucht zusammen mit dem indigenen Führer Oveimar Tenorio und dem Menschenrechtsanwalt Francisco Henao Bohorquez in Genf die UNO. Dabei geht es um die weltweiten Menschenrechte indigener Völker, wie jene in Kolumbien; diese leiden stark unter den anhaltenden bewaffneten Konflikten im Land. Wie fühlt man sich bei einer so wichtigen Aufgabe?

Der UN-Menschenrechtsrat ist eines der wichtigsten Menschenrechtsgremien der Welt. Seine Stimme und seine Beobachtungen sind von grundlegender Bedeutung. Auch wenn er keine Zwangsmittel zur Durchsetzung seiner Resolutionen hat, verfügt er über eine enorme politische und symbolische Macht; er ist somit in der Lage, den Grad der Achtung der Menschenrechte in verschiedenen Teilen der Welt zu bestimmen. 

So beispielsweise bei einer Resolution, in der die UNO Israel wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen zur Rechenschaft zieht. Die UNO fordert einen klaren Stopp aller Waffenverkäufe an das Land, da die Gefahr besteht, dass Israel einen Völkermord am palästinensischen Volk begehen könnte. Solche Zeichen haben international eine beachtliche Wirkung.

Seine Entscheide fördern aber nicht nur die Achtung der Menschrechte; sie tragen auch zur Definition von Verantwortlichkeiten bei und zur Stärkung der Gerechtigkeit. Und er ist bedeutend in der Schaffung von Mechanismen, damit grosse Verbrechen nicht vergessen gehen und sich in Zukunft nicht wiederholen.

Für uns bietet diese Möglichkeit zur Teilnahme eine sehr wichtige Gelegenheit, um eben an diesen Prozessen der Wahrheits- und Gerechtigkeitsfindung, sowie der Erinnerung beizutragen. 

Habt ihr bestimmte Erwartungen an diesen Austausch? Welches sind euere grössten Anliegen an die UNO?

Die Erwartungen sind hoch, weil sie im Verhältnis zur Bedeutung der Veranstaltung stehen: Dieses Expertengremium setzt sich für die Rechte indigener Gemeinschaften weltweit ein. Wir erwarten, dass so Aussagen von Vertreterinnen und Vertretern indigener Völker aus der ganzen Welt gesammelt werden können; dadurch können wir dem UN-Menschenrechtsrat ein möglichst vollständiges Bild der Lage präsentieren. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf folgenden Themen: 

  • Der Kampf gegen Rassendiskriminierung und die historische Ausgrenzung indigener Völker
  • die Notwendigkeit, Schutz mit einem differenzierten Ansatz zu gewähren
  • die Stärkung der Räume der Autonomie, der Nahrungsmittel- und der territorialen Souveränität indigener Völker
  • die Anerkennung und Wertschätzung der Beiträge indigener Völker im Kampf gegen den Klimawandel und an der Übergangsjustiz und den laufenden Friedensprozessen.

Im konkreten Fall von Kolumbien wird unsere Teilnahme bei diesem Gremium die Gelegenheit bieten, die humanitäre Notsituation anzuprangern; denn bewaffnete Konflikte und Gewalt haben sich in den letzten Jahren verschärft. Darunter leiden neben Afrokolumbianer:innen und Indigenen auch kolumbianische Kleinbäuer:innen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und reichen vom Ausschluss dieser Gruppen von der politischen Teilhabe über eine fehlende Agrarreform bis hin zur Nichtumsetzung der Friedensabkommen. 

«Im konkreten Fall von Kolumbien wird unsere Teilnahme bei diesem Gremium die Gelegenheit bieten, die humanitäre Notsituation anzuprangern; denn bewaffnete Konflikte und Gewalt haben sich in den letzten Jahren verschärft.» Laura Kleiner/Tullio Togni

Gleichzeitig werden wir aber auch aktuelle Errungenschaften und Herausforderungen nennen: So scheint sich die neue Regierung unter Gustavo Petro stärker als frühere Regierungen für den Frieden und die Menschenrechte zu engagieren. So öffneten sich wichtige Räume wie die Sonderjustiz für den Frieden oder die Wahrheitskommission. Ausserdem werden wir Vorschläge der indigenen Völker für den Aufbau eines dauerhaften, integrativen und sozial gerechten Friedens thematisieren können.

Habt ihr das Gefühl, dass der Menschrechtsrat der UNO genügend über die prekäre Situation im Cauca informiert ist? Welche Informationen sind für die UNO besonders wichtig?

Tullio: Im vergangenen März 2024 besuchte der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Rechte der indigenen Völker das Departement Cauca in Kolumbien, wo ich arbeite. Bei dieser Gelegenheit überreichten wir ihm einen Bericht. Dieser enthielt eine Analyse des aktuellen Kontextes und der sozio-politischen Gewalt im Departement Cauca. Wir prangerten darin die systematischen Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit und die ethno-kulturellen Besonderheiten von indigenen Völkern an.

Auch wenn wir kontinuierlich Menschenrechtsverletzungen anprangern und sichtbar machen, werden diese doch kaum wahrgenommen; sie gehen unter im bewaffneten Kampf diverser Akteure um die soziale und territoriale Kontrolle. Deshalb ist die Teilnahme an diesem Sachverständigen-Gremium bei der UNO so wichtig. Nur so können wir international wirkungsvoll auf die Situation und den Alltag tausender Betroffener aufmerksam machen. Unsere Informationen aus erster Hand haben einen Mehrwert und ermöglichen vor allem eingehende Untersuchungen. 

Zudem bietet die Teilnahme auch eine wichtige Gelegenheit auf die vielen, bereits existierenden Initiativen für Frieden, Koexistenz oder eine alternative, nachhaltige Wirtschaft aufmerksam zu machen – alles funktionierende Alternativen zum Krieg, die aber wegen der anhaltenden Gewalt kaum sichtbar werden.


Das Interview fand im Vorfeld dieser Veranstaltung in Luzern statt. Redaktion: Daniel Scherrer

Filmvorführung und Diskussion mit Betroffenen

 

 

Bei drei Veranstaltungen reden Betroffene aus Kolumbien zusammen mit Comundo-Fachperson Laura Kleiner und Tullio Togni über die schwierige Menschenrechtslage in ihren Gebieten. Untermalt wird die Diskussion vom gezeigten Dokumentarfilm "Hasta que se apague el sol" (dt. "Bis die Sonne erlischt"). Die Vorführungen finden in Lausanne, Genf und Bern statt und sind kostenlos.

 

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